DEN SOZIALEN GEDANKEN LEBEN

Sich mit über 50 noch mal selbstständig machen und einen Verein gründen? Für Beate Glamann keine Frage, sondern Realität. 2010 gehörte sie zu den Gründungsmitgliedern von Hamburger* mit Herz. Heute ist die 63-Jährige Vorstand für Finanzen des Vereins. Mit ihr geht unsere Interviewreihe anlässlich des zehnjährigen Jubiläums von Hamburger* mit Herz weiter.

 

Liebe Frau Glamann, Sie sind Vorstand für Finanzen bei Hamburger* mit Herz. Was genau machen Sie in Ihrer Position?

Ich kümmere mich um die Steuererklärung und regele die ganze finanzielle Verwaltung.

Als Vorstand für Finanzen achte ich darauf, dass der Verein in erster Linie handlungsfähig bleibt. Achte darauf, dass das Konto gedeckt ist und, dass die Steuern, Sozialabgaben, Gehälter und Miete bezahlt werden.

Das klingt eher nach einem Fulltimejob, als nach einer ehrenamtlichen Tätigkeit.

Ja, das stimmt. Aber ich mache es gerne und zu 100 Prozent unentgeltlich. Ich möchte einfach etwas zurückgeben.

Und wie finanziert sich der Verein?

Wir finanzieren uns neben öffentlicher Förderung vor allem durch Spenden und Mitgliedsbeiträge und da kann sich wirklich jeder engagieren. Egal ob mit einer einmaligen Spende oder ob man mehrfach spenden möchte. Und, wenn man keine Zeit hat, Aufgaben zu übernehmen, muss man auch kein aktives Mitglied sein, sondern kann den Verein als Fördermitgliedschaft unterstützen.

Wie sieht so eine Fördermitgliedschaft aus?

Der normale Beitrag liegt da bei zehn Euro monatlich. Student*innen und Senior*innen können uns auch mit fünf Euro unterstützen. Und eine direkte Patenschaft mit unseren Patendörfern Mekerie in Äthiopien oder Namosi in Kenia kann man mit 30 Euro monatlich eingehen. Das Geld versorgt die Kinder vor Ort mit Essen, Schulkleidung und Büchern. Damit kann man schon eine ganze Menge erreichen.

Ich sehe schon, Sie haben die Zahlen fest im Griff. Wie sind Sie zu Hamburger* mit Herz gekommen?

Ich arbeite seit 2009 als Versicherungsmaklerin mit Gorden Isler zusammen bei fairvendo. Wir hatten schon damals den Wunsch, neben unseren Hauptjobs etwas Ehrenamtliches auf die Beine zu stellen. Aber es gab schon so viele Vereine. Dann kam 2010 das Erdbeben auf Haiti und da war klar, wir gründen jetzt doch den Verein. Herr Isler rief uns von seinem Urlaub aus an und gab den Startschuss. Ein paar Wochen später, am 23. April 2010, gründeten wir mit einigen anderen Mitarbeitern von fairvendo und externen Gleichgesinnten dann Hamburger* mit Herz. Erst war ich Schriftführerin und habe mich um viele Verwaltungsangelegenheiten gekümmert. Dann bin ich zur Schatzmeisterin ernannt worden und seitdem sitze ich im Vorstand. Ich stehe zu 100 Prozent hinter der Intention von Hamburger* mit Herz: Menschen, die benachteiligt sind, egal ob bei Bildung oder Gesundheit, zu unterstützen.

Ist es auch das, was Hamburger* mit Herz für Sie ausmacht?

Wir haben uns der Bildung, der Einzelschicksale, der Humanität und der Hilfe von Bedürftigen verschrieben. Und der Verein ist geprägt von einem offenen und schönen Miteinander und von viel Wertschätzung. Dieser soziale Gedanke wurde mir auch schon in die Wiege gelegt und er zieht sich durch mein ganzes Leben. Auch ich trete den Menschen mit viel Empathie und Wertschätzung gegenüber.

Wie meinen Sie das mit dem sozialen Gedanken?

Es war mir immer wichtig, zu helfen. Ich wurde erst Arzthelferin und wechselte dann zu einer Krankenkasse, erst ins Versicherungsrecht, dann in den Vertrieb. Dadurch lernte ich, wie Menschen ticken und wie man mit Empathie miteinander umgeht. 2009 sollte ich mich nach über 20 Jahren aufgrund von firmenpolitischen Entscheidungen noch einmal beruflich komplett anders orientieren. Damals war ich schon 51. Das hat mich schwer getroffen. Ich dachte immer, wenn man sich in seinem Job nichts zuschulden kommen lässt, passiert einem so etwas nicht.

Was haben Sie dann gemacht?

Ich habe tatsächlich direkt elf Jobangebote von Dienstleistern bekommen, mit denen ich vorher zusammengearbeitet habe und das war Balsam für die Seele. Es hat mir gezeigt, dass man auch mit Ü50 noch mal von vorne anfangen kann. Ich habe mich dann mit 51 für die Ausbildung zur Versicherungsmaklerin entschieden und mich selbstständig gemacht.

Das war sicherlich nicht leicht?

Nachdem ich zweimal durch eine Gesundheitsreform meinen Job verloren hatte, hatte ich davon ehrlich gesagt genug. Und bei fairvendo sind wir in einem Maklerverbund und beeinflussen und helfen uns gegenseitig. Das hat es einfacher gemacht.

Dort liegt ja sozusagen auch die Wiege von Hamburger* mit Herz.  

Ja, aber ich bin sozusagen die Letzte der Gründungsmitglieder, die noch im Vorstand ist. Unsere Office-Soccer-Turniere damals waren die ersten Spendenaktionen. Das Geld ging nach Mekerie und auch in Einzelschicksale, die wir unterstützt haben. Seitdem hat sich einiges getan. Seit wir die Herzkammer in Hamburg eröffnet haben und damit Geflüchteten Deutschkurse und Kultur vermitteln können, gibt es auch hier viele positive Erlebnisse. Man merkt einfach, dass die Menschen lernen und ein Teil der Gesellschaft sein wollen.

Welchen Einfluss hat Corona auf den Verein?

Ich glaube keinen großen. Wir haben andere Wege gefunden, zu helfen. Sicherlich: Die Deutschkurse können aktuell nicht stattfinden, aber hoffentlich geht das bald wieder mit Sicherheitsabstand und Hygieneregeln. Die Spendenbereitschaft der Menschen ist noch da. Wir haben keinen einzigen Austritt von Mitgliedern seit dem Ausbruch von Corona. Ich glaube auch nicht, dass die Spender*innen und die Menschen sich deswegen zurückhalten werden.

Wie glauben Sie, wird es mit Hamburger* mit Herz weitergehen?

Wir müssen natürlich immer dranbleiben, damit es weitergeht. Zurücklehnen geht nicht. Aktuell sind die Deutschkurse nicht mehr so gefragt, wie 2015, aber wenn sie auslaufen, wird etwas Neues kommen. Und Hamburg als soziale Stadt wird sich immer um Bedürftige kümmern und dann sind wir da.