Eine besondere Reise nach Mekerie

Ende Februar waren wir von HAMBURGER*MIT HERZ wieder in Mekerie, um uns den Fortschritt unseres Patenschafts-Projektes anzuschauen und weitere Ideen und Organisatorisches zu besprechen. Schon oft waren wir in den unterschiedlichsten Konstellationen vor Ort, aber diesmal machten wir eine ganz besondere Reise.

Besonders, weil uns Hannelore Schmeil, eine unserer Patinnen, nach Äthiopien begleitet hat. Die 72-Jährige hat diese sehr beschwerliche Reise auf sich genommen, weil sie unbedingt ihr Patenkind Emebet und dessen Familie kennenlernen wollte. Begleitet wurde sie von unserer Vorsitzenden Joanna Abram, dem Fotografen Björn Schmitz, der selbst Pate ist, und NDR-Journalistin Lara Straatmann.

Das erste Zusammentreffen von Hannelore und Emebet wurde zu einem sehr bewegenden Moment für uns alle. Patenkind und Patin haben die Zeit miteinander sehr genossen und auch die Sprachbarriere war kein Problem für die beiden. Hannelore hat Emebets Familie im Haushalt unterstützt und im Haus des Mädchens eine wundervolle und unvergessliche Zeit verbracht. „Es hat sich wirklich gelohnt“, hat Hannelore immer wieder gesagt. Wenn sie weiterhin fit bleibe, würde sie gern ein anderes Mal wiederkommen. Ihr größter Wunsch sei, dass Emebet weiterhin so erfolgreich in der Schule ist. Damit könne Emebets Wunsch, eines Tages Ärztin zu werden, in Erfüllung gehen. Hannelore möchte sie weiterhin auf diesem Weg unterstützen, damit Emebet in ihrer Heimat erfolgreich anderen Menschen helfen kann.

Während des Aufenthaltes in Mekerie konnten wir erneut eine positive Entwicklung unserer Projekte im Dorf erkennen. Die Anzahl der Schulkinder steigt kontinuierlich. Aktuell unterstützen wir mit insgesamt 58 Patenschaften 469 Kinder. Durchschnittlich helfen Sie mit Ihrer Patenschaft also nicht nur Ihrem Patenkind, sondern sieben weiteren Kindern, eine Chance auf eine bessere Zukunft zu bekommen. Damit fördern wir Familien und sorgen für Nahrung, Trinkwasser, Kleidung und Medikamente. Durch diese Unterstützung müssen die Kinder nicht mehr zu Hause oder auf dem Feld mitarbeiten und haben wieder Zeit, zur Schule zu gehen.

Falls auch Sie Ihr Patenkind kennenlernen oder sich einen Eindruck über unser Projekt in Mekerie machen möchten, können Sie uns gerne das nächste Mal nach Äthiopien begleiten. Bei Fragen melden Sie sich gerne hier: patenkinder@hamburger-mit-herz.de

Ostern gehört in der christlich-orthodoxen Kirche Äthiopiens zu den wichtigsten Feiertagen. Weil das Osterfest nach dem äthiopischen Kalender errechnet wird, findet es nicht immer parallel zu unserem Fest statt. In diesem Jahr feiern die Äthiopier beispielsweise ab dem 8. April 2018.

Schon vor dem Aschermittwoch wird gefastet: 55 Tage lang von Montag bis Freitag bis 15 Uhr. Die Bestimmungen des Fastens sind streng geregelt. So dürfen zum Beispiel keine tierischen Produkte gegessen werden, mit Ausnahme von Fisch.

Das Prinzip des Fastens gibt es in fast allen Religionen. So viele Fastentage wie in der äthiopisch-orthodoxen Kirche müssen die Gläubigen anderer Gemeinschaften allerdings kaum einhalten. Während in Europa die Fastenzeit an Bedeutung verliert, dürfen in Äthiopien an mehr als 200 Tagen im Jahr keinerlei tierische Produkte konsumiert werden.

Ostern wird dann als eine Art Erlösung zelebriert, denn die Feiertage markieren das Ende der langen Fastenzeit. Der Ostersonntag ist der wichtigste Tag des äthiopischen Osterfestes. Die Menschen versammeln sich in den Kirchen, die mit unzähligen Kerzen geschmückt sind. Dazu wird Weihrauch verteilt. Nach der Messe trifft sich die Familie und es werden, wie zu Weihnachten, kleine Geschenke verteilt. Söhne und Schwiegersöhne schenken ihren Eltern traditionell ein Lamm. Nach Ostern wird dieses Lamm dann geschlachtet und das damit einhergehende Festmahl ausgiebig ausgekostet. Die Kinder gehen von Haus zu Haus und verteilen frisches Gras, das dann auf dem Boden verstreut wird. Sein frischer Geruch steht für das Leben und somit für die Auferstehung.

Text: Joanna Abram

Foto: © Markus Huth

 

 

 

Die meisten Geflüchteten, die HAMBURGER*MIT HERZ in Hamburg bei der Integration unterstützt, stammen aus Eritrea. Eritrea ist ein kleines Land in Ost-Afrika mit nur 5 Millionen Einwohnern, aus dem jedes Jahr viele Tausend  fliehen. Ein Land, über das die Meisten nichts wissen. Warum fliehen Menschen von dort? Wie ist die Lage im Land? Dr. Nicole Hirt vom Institut für Afrikastudien am GIGA Hamburg hat viele Jahre in Eritrea gelebt, gearbeitet und darüber geforscht und hat uns ein paar Fragen beantwortet:

1. Jedes Jahr fliehen tausende Menschen aus Eritrea nach Europa und leben hier mit subsidiärem Schutzstatus. Aktuell ist dort kein Krieg. Wovor fliehen die Menschen? 

Nicole Hirt: Eritrea befindet sich zwar nicht im Krieg, aber in einem Zustand des „kalten Friedens“ mit Äthiopien. Beide Länder führten von 1998 bis 2000 einen verheerenden Grenzkrieg gegeneinander, dem bis zu 100.000 Menschen zum Opfer fielen. Äthiopien weigert sich, ein nach internationalem Recht Eritrea zustehendes Grenzgebiet abzutreten, und die eritreische Regierung reagierte darauf mit der Militarisierung der gesamten Gesellschaft. 2002 wurde der Nationaldienst, eine Kombination aus Wehr- und Wiederaufbaudienst, von 18 Monaten auf unbestimmte Zeit verlängert, was bedeutet, dass Frauen derzeit von 18 bis 27 Jahren, Männer ab 18 bis zum Alter von 50 oder manchmal auch 60 Jahren gegen ein Taschengeld Dienst leisten müssen. Selbst Siebzigjährige müssen noch Militärtrainings absolvieren und werden bewaffneten Nachbarschaftsmilizen zugeteilt. Die Menschen fliehen vor einem Staat, der sie im Rahmen des Nationaldienstes zu quasi lebenslanger Zwangsarbeit verpflichtet.

2. Warum nehmen die häufig jungen Menschen lieber eine lebensgefährliche Flucht in Kauf, als zum Militärdienst zu gehen?

Beim eritreischen Militär- bzw. Nationaldienst handelt es sich nicht um einen gewöhnlichen, zeitlich befristeten Dienst, sondern um systematische Zwangsarbeit. Mit 18 Jahren beginnt die militärische Ausbildung beispielsweise Trainingscamp Sawa, in dem gleichzeitig das 12. Schuljahr absolviert wird. Nach der Ausbildung geht der Dienst weiter: als Lehrer, medizinisches Personal, Plantagen- und Bauarbeiter – alle arbeiten fast kostenlos für den Staat und haben keine Chance, mit ihrem Sold eine Familie zu ernähren.

3.  Sie haben einige Jahre in Eritrea gelebt und gearbeitet. Was haben Sie dort gemacht?

Ich habe u.a. Forschungen für meine Promotionsarbeit über die eritreische Entwicklungsstrategie nach der Unabhängigkeit betrieben und habe an der Universität Asmara unterrichtet. Als Ausländer das Land noch frei bereisen durften, bin ich viel herumgekommen und habe auch viele ländliche Regionen sowie eine schwer erreichbare Rotmeerinsel besucht. Ich habe mich über die Jahre mit Menschen in verschiedensten Lebensumständen unterhalten und konnte mir ein Bild von ihrem Alltag machen.

4. Wie haben Sie das Land und die Menschen wahrgenommen?

Eritrea ist ein landschaftlich sehr schönes Land mit großer kultureller Vielfalt und einem immensen Entwicklungspotential, das leider von der Regierung seit dem Krieg mit Äthiopien überhaupt nicht mehr genutzt wird. Durch die italienische Kolonialisierung sind viele Städte, vor allem die Hauptstadt Asmara, die unlängst zum UNESCO-Kulturwelterbe erklärt wurde, durch italienische Architektur geprägt. Die Hafenstadt Massawa, die durch die Osmanen geprägt wurde und ebenfalls über wunderschöne, schützenswerte Bauwerke verfügt, ist dagegen dem Verfall überlassen. Die neuen ethnischen Gruppen, die Eritrea bewohnen – etwa zur Hälfte Muslime und Christen – üben traditionell unterschiedliche Wirtschaftsformen aus: kleinbäuerliche Landwirtschaft im Hochland, eher nomadische Lebensformen in den Tiefländern. Entlang der 1000 km langen Rotmeerküste ist es extrem heiß, im Hochland herrscht dagegen moderates Klima. Das Leben auf dem Lande ist besonders für Frauen sehr mühselig, da oft Wasser und Holz über weite Strecken zu Fuß transportiert werden müssen. Das Leben der Bevölkerung wird seit 16 Jahren vom zeitlich unbefristeten Nationaldienst bestimmt, der ihnen autonomes Wirtschaften verwehrt. Sowohl die Subsistenzwirtschaft (Bedarfswirtschaft), von der ca. 80 Prozent der Bevölkerung lebten, als auch handwerkliche Betriebe und Fabriken leiden unter Arbeitskräftemangel, da die Menschen entweder im Nationaldienst arbeiten oder das Land verlassen haben.

5. Wie sieht es in den Bereichen Bildung und Gesundheit aus?

Die Regierung hat sich über die Jahre bemüht, die Gesundheits- und Bildungssektoren zu verbessern, aber da fast alle Lehrer und Gesundheitsfachkräfte heute Nationaldienstleistende ohne ausreichendes Gehalt sind, leiden beide Sektoren unter hoher Personalfluktuation und die Einschulungsraten sinken kontinuierlich. Das Land befindet sich in einer wirtschaftlichen Abwärtsspirale, von der es sich lange nicht erholen wird. Die Diaspora trägt derzeit mindestens ein Drittel zum Staatshaushalt bei und sichert zudem das Überleben im Land verbliebener Angehöriger.

6. Wie hat sich die Situation der Menschen in Eritrea in den letzten Jahren entwickelt?

Seit Einführung des zeitlich unbefristeten Nationaldienstes hat sich die Situation der Menschen extrem verschlechtert. Hunderttausende sind seither ins Ausland geflohen – die meisten in den Sudan und nach Äthiopien, viele arbeiten auf der arabischen Halbinsel – nur die wenigsten Geflüchteten erreichen Europa. Der UNHCR schätzt, dass etwa 5.000 EritreerInnen monatlich aus dem Land fliehen, obwohl dies ohne Ausreisevisum illegal ist und an der Grenze Schießbefehl herrscht. Andererseits sind korrupte Militärs in den Menschenschmuggel über die Grenze beteiligt.

7. Was müsste geschehen, damit sich die Lage im Land verbessert?

Besserung ist nur in Sicht, wenn das absurde System der lebenslangen Zwangsrekrutierung aufgegeben wird. Außerdem müsste die aktuell existierende Kommandowirtschaft liberalisiert werden, die auf staatlicher Zwangsarbeit beruht. Die Regierung ist jedoch nicht reformbereit und rechtfertigt das System mit der Bedrohung durch Äthiopien. In den letzten Jahren hat sich erwiesen, dass der Massenexodus das System stabilisiert, da die Geflüchteten verpflichtet sind, eine Diasporasteuer von 2 Prozent ihres Einkommens an die Regierung zu bezahlen. Zudem übernehmen sie die Versorgung ihrer Verwandten, die durch den Nationaldienst der Möglichkeit beraubt wurden, für sich selbst und ihre Kinder sowie für die ältere Generation zu sorgen. Die jetzige Regierung ist seit 1991 an der Macht, ohne dass jemals nationale Wahlen durchgeführt wurden. Solange sich an dieser Situation nicht ändert, wird die Massenflucht aus Eritrea weitergehen.